„Unser zweites, tolles Schulerlebnis führt uns nicht ganz so abseits in den Busch. Khnar Village liegt nur grad 45 Tuktuk Minuten nördlich von Siem Reap und in der Nähe des Banteay Srei Tempels. Das Khnar Village Learning Center ist eine Nachmittagsschule für die Kinder des Dorfes, die neben Khmer und Mathe – die einzigen Fächer der öffentlichen Schule – auch noch Englisch, Informatik und Naturkunde lernen möchten, oder sich mit basteln und Ukulele oder Schach spielen weiter entwickeln wollen. Wer mitlernt, darf zum Mittagessen eintrudeln. Oder anders rum, wer sich den Bauch vollschlagen will, muss danach auch zum Lernen bleiben! Es gibt wohl, wie immer, von beidem was…
Wir haben in unserem Guesthouse in Siem Reap Bekanntschaft mit Nicola gemacht, einer Dame aus Genf, die seit bald 3 Wochen einen Freiwilligeneinsatz im Learning Center macht. Sie unterstützt dort die neue, blutjunge Bastellehrerin und gibt ihr Ideen und Tipps mit für das kommende Schuljahr. Heute dürfen wir dabei sein und sogar mitbasteln!
Wir treffen etwas verfrüht ein und dürfen uns gleich zum Mittagessen mit anstellen, natürlich erst, nachdem wir uns an der Waschstation die Hände geschrubbt haben, wie es uns die Kinder vorbildlich gezeigt haben. Alle freuen sich, dass wir ihren Khmer Food kosten; Reis mit unbekanntem Gemüse und undefinierbaren Fleischstücken… schmeckt wunderbar!
Das Eis ist gebrochen und die mutigsten Kinder trauen sich uns nach unseren Namen zu fragen. Wir fragen zurück und das gegenseitige Unvermögen, die jeweils anderen Namen richtig auszusprechen, sorgt für Heiterkeit. Eine kichernde Gruppe Kinder folgt uns dann auch neugierig bei der Führung über das Schulgelände.
Die ganze Schulanlage ist sehr liebevoll gestaltet. Uns beeindruckt die kreative Weiterverwendung der lästigen und sonst überall rumliegenden Petflaschen. Die Kinder haben sie mit Sand gefüllt und deckelvoran in der Erde versenkt. So säumen sie jetzt alle Wege zwischen den Schulgebäuden als kreative Randsteine.
Der Schulleiter zeigt uns auch gleich stolz sein nächstes Projekt – ein Zaun aus mit Plastik gefüllten Petflaschen. Er sagt, er tut es aus Liebe zu seinem Land, das im Plastikmüll zu versinken droht. Auch wir haben diese Kehrseite des schnellen Aufschwungs ohne nötige Infrastruktur schon besorgt bemerkt und freuen uns, dass die Sensibilität auch bei den Einheimischen zunimmt. Das macht doch Hoffnung für die Zukunft.
Beeindruckt bestaunen wir die neuen Gebäude. Sie sind gross, hell und luftig und erlauben durch ihre ausgeklügelte Bauweise eine natürliche Lüftung und somit eine angenehme Innentemperatur.
Sogar einen Computerraum gibt es hier, wo wir sprachlos die Tastaturen-Übersetzung in Khmer studieren. Das Alphabet dieser lautreichen Sprache ist viel zu gross für die handelsübliche Tastatur und es braucht nicht viel Fantasie sich vorzustellen, wie lange es dauert, bis man sich all die zusätzlichen Umstellcodes gemerkt hat.
Als wir zu den vorderen Gebäuden zurückkehren, haben sich die Kinder in der Bibliothek und dem angrenzenden Raum versammelt. Jedes hat ein Büchlein vor sich, einige lesen fleissig, andere hören lieber zu oder schauen sich die Bilder an. Die Lehrerin hat diese Lesestunde angeordnet, da sie befürchtet hat, die Kinder würden sich beim wilden Spiel im Hof die Uniformen schmutzig machen, wie sie uns erklärt. Ihre Idee ist es dann auch, dass ich den Kindern das Warten auf die Bastelstunde mit dem Dschungelbuch verkürze. Ich lese Englisch vor und lasse mir alle Tiere auf Khmer übersetzen. Erneutes Gelächter über meine lustige Aussprache.
Und dann kommt Nicola und erklärt endlich, was die Kinder heute Nachmittag schönes herstellen können. Alle schauen bei der Erklärung aufmerksam zu und bei den meisten gelingt es nachher auch ganz toll eine Art einfache Batik mit Filzern auf Stoff herzustellen. Die Stoffecken sollen am Ende zu einem grossen Wandbild zusammengefügt werden, welches dann den neu gestrichenen Bastelraum schmücken wird. Nicola erzählt, dass sie immer wieder beeindruckt ist, von der Geschicktheit der Kinder. Man merkt, dass sie von Klein auf viel mit ihren Händen arbeiten. Umso anspruchsvoller ist es für die Lehrerin immer wieder interessante Arbeiten zu finden, die sich mit den wenigen zur Verfügung stehenden Materialien verwirklichen lassen. Wir sind froh, dass wir mit unserer Unterstützung von Eyes Open wesentlich dazu beitragen können, dass die Kinder weitere tolle Kunstwerke anfertigen können.
Mein Mann lässt sich unterdessen in einem anderen Raum im Schach besiegen. Die Schüler der Schachklasse sind inzwischen so gut, dass nur mithalten kann, wer auch regelmässig trainiert. Am Leuchten in den Augen der Knirpse kann man ihre Freude über die Siege erkennen, aber sie sind viel zu höflich um sie offensichtlich zu zeigen. Vielleicht gebietet das auch der Respekt vor Erwachsenen, der in dieser Kultur noch ganz gross geschrieben wird.
Ähnliche kulturelle Barrieren erkennen wir, als wir der Klasse zum Abschluss ein Spiel für den Pausenhof erklären wollen.
Wir zeigen ihnen das Blinzli-Spiel, gar nicht so einfach, wenn man sich aus lauter Schüchternheit nicht getraut gegenseitig in die Augen zu schauen. Aber nach und nach tauen alle auf und wir sind ziemlich sicher, dass dieses Spiel nun des Öfteren unter den Bäumen von Khnar Village gespielt werden wird.
Zum Abschied gibt es ein Gruppenbild. Die Berührungsängste sind mit dem Spiel definitiv verschwunden. Fast ein bisschen traurig nehmen wir Abschied und winken uns gegenseitig zu, bis das Tuktuk uns um die nächste Biegung trägt, den Kopf voller neuer Eindrücke und das Herz leicht von den schönen Begegnungen.“